Abu
Ali al Husain ibn abd Allah ibn Sina al Qanuni,
der persische
Gelehrte.
Wer weiß schon, wie die Welt sich entwickelt hätte,
wenn die transkontinentale Wirtschaftskraft der Seidenstrasse
niemals existiert hätte. An deren nördlichem Ausläufer
liegt Buchara. Die Altstadt wirkt wie ein irreales Gesamtkunstwerk
aus Tausendundeiner Nacht. Ganz in der Nähe - es war
im Jahr 980 n. Chr. - wurde auf einem Landgut ein Junge geboren:
Ibn Sina. Neugierig und frech - wie man als Kind
eben über den Dingen steht - durchstreifte er mit Freunden
und Esel tagelang die Umgebung. Ganz so, wie es die usbekischen
Kinder noch heute tun.

Väterlicher
Weitblick, wohl nicht zuletzt auch reichlicher Geldsegen,
brachten den Wissbegierigen zum Studium in die Medresen [Islam.
Hochschulen] von Buchara. Hier erlernte Ibn
Sina sämtliche verfügbaren Kenntnisse der Mathematik,
Astronomie, Philosophie und Medizin. Das Gesamtwissen der
arabischen Gelehrten war zu jener Zeit das modernste und fortschrittlichste
der Welt.
Eine fürstliche Genehmigung eröffnete dem Studiosus
den Zutritt zur samanidischen Hofbibliothek. Sämtliche
Werke der antiken Gelehrten standen von nun an uneingeschränkt
zur Verfügung. Vorrangig angetan hatte es ihm der griechische
Philosoph Aristoteles. Akribische Analysen dessen
metaphysischer Werke veranlassten Ibn Sina zu einer
völlig neuen, vor allem aber eigenständigen Weltanschauung.
Mit dem tristen Beamtenposten nach Abschluß des Studi-ums
war Ibn Sina nicht besonders glücklich. Kurzerhand
verließ er Buchara, um an anderen Höfen
persischer Klein-fürsten das abenteuerliche Leben eines
Forschers, Beraters und Leibarztes zu führen.Eine Zeit
lang war er in Hamadan sogar als Wesir des bujidischen
Fürsten Schems Aldin tätig. Nach dessen
Tod wurde er als Geheimnisträger eingekerkert, aber genauso
rasch wieder entlassen. Daraufhin zog es ihn nach Isfahan.
Die Stadt zählte zu den reichsten und prächtigsten
Perlen der Seidenstraße. Während einer Reise im
Dienst des neuen Gönners, Emir Ala-ed-Daula,
verstarb Ibn Sina mit 57 Jahren völlig unerwartet
in der Nähe von Hamadan. Das einfache Grab wird
dort bis heute voll Stolz und Würde gezeigt.
Ibn Sina verfasste im Verlauf seines Lebens eine
Menge an Schriften, allein 100 Bücher werden ihm zugeschrieben.
Seine wertvollen Empfehlungen galten seinerzeit als das Beste,
was Heilkundige nachlesen konnten und wonach sie sich im Handeln
richten sollten. Als medizinisch-philosophisches Hauptwerk
gilt der Canon medizinae. Dieser
zählte trotz seines gewaltigen Umfangs und der teils
ausschweifenden Textpassagen bis weit in das Europa des 16.
Jahrhundert hinein - in manchen Gegenden des Orients bis heute
- zu den bedeutendsten Informationsquellen für Ärzte
und praktizierende Mönche. So enthält etwa der zweite
der fünf Bände zahlreiche Pflanzenmonographien und
stellt allein mit 758 Kapiteln die umfangreichste Drogenkunde
des Mittelalters dar.
Im Zuge der Übersetzung und Transformation dieser Kennt-nisse
in die westliche Welt, wurde auch der klangvolle Name des
Ibn Sina lateinisiert und erst dadurch in Europa
berühmt: Avicenna.
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