BESATZMANGEL.
Naturborsten stammen vom Schwein und kommen seit Jahrzehnten
aus China. Nein, nicht weil dort billiger produziert wird,
sondern weil europäische Tierhalter auf zart rosa Schweinepopulationen
ohne Körperbehaarung setzen.
Im Gegensatz dazu leben die Schweine in China noch immer auf
vorwiegend kleinen Bauernhöfen, wo sie das ganze Jahr
im Freien verbringen und deshalb ein entsprechend robustes
Haarkleid - eben jene gesuchten Borsten - ausbilden.
Aber auch das Reich der Mitte ist mittlerweile im 21. Jahrhundert
angekommen und obwohl 2019 im chinesischen Kalender als Jahr
des Schweins gefeiert wird, stehen ihm die Sterne gar nicht
gut. Die Borstenpreise steigen zur Zeit zwar und haben sich
je nach Qualität seit Anfang 2017 um 60% bis 100% verteuert.
Trotzdem besteht die Sorge, dass hochwertige Borstenware in
absehbarer Zeit rar wird und zum Teil gar nicht mehr geliefert
werden kann. Verschiedene innerchinesische Entwicklungen sind
verantwortlich dafür:
Begonnen hat es mit dem Wegfall des staatlichen Schlachtmonopols.
Da die Borstenschweine grundsätzlich zur Fleischproduktion
gehalten werden, kann nun jeder Bauer zu jeder Zeit nach Bedarf
hausschlachten. Aber nicht alle bringen die Felle zur Sammelstelle,
weshalb weniger Borstenrohware gewonnen werden kann.
Die aktuellen und auch begrüßenswerten Umwelt-schutzmaßnahmen
der chinesischen Regierung zwingen Landwirte, die Heizsysteme
ihrer Betriebe und Wohnungen von Kohle auf Gas umzustellen,
anfallende Schadstoffe ordentlich zu entsorgen und Umweltauflagen
im Allgemeinen einzuhalten.

Borsten
sind an den Haarwurzeln wesentlich dicker und somit härter
als an den Spitzen.
Daraus
resultieren allerdings einerseits wirtschaftlich bedingte
Verteuerungen, aber auch Betriebsschließungen aus verschiedenen
Gründen; Entweder weil den neuen Auflagen zuwidergehandelt
wurde oder viele Menschen ihre ländliche Heimat zugunsten
besserer Verdienstmöglichkeiten in Richtung Großstadt
verlassen.
Die Zurückgebliebenen schlachten die Tiere immer früher
und jünger, während deren Borsten noch nicht gut
ausgebildet und somit untauglich oder nur schlechter Qualität
sind.
Weitere negativ demografische Entwicklungen in den Dörfern
führen auf kurz oder lang zu Betriebsverkleinerungen.
Andere stellen auf profitablere Produktsegmente um, etwa Feinhaar
für Kosmetikpinsel mit Kilopreisen von über 10.000,-
Euro und damit einem Vielfachen der Schweineborste.
Experten prognostizieren deshalb weiterhin sinkende Mengen
an hochwertiger Borste bei gleichzeitig steigenden Preisen.
Reine Borstenprodukte werden zwar nicht gänzlich vom
Markt verschwinden, aber seltener und teurer werden sie allemal.
Borstenmischungen, Pflanzenfasern, Metalldrähte und Kunststoffstäbchen
werden voraussichtlich ihren Platz einnehmen
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