PUTZZIMMER
UND DISKRETER RÜCKZUGSORT.
In gut situierten, aristokratischen Kreisen, später auch
in bürgerlich begüterten Haushalten, setzte sich
das Boudoir als elegantes Damenzimmer durch. Ursprünglich
war es ein bescheidener, allfälligen Blicken verborgener
Rückzugsort zum Ankleiden, Waschen und zur mannigfaltigen
Hygiene und Pflege „mit Mitteln, um die körperliche
Schönheit zu erhalten und zu erhöhen”.
Je mehr Finanzkraft zur Verfügung stand, desto großzügiger
wurde der Raum ausgestaltet oder gar als Gruppe aus mehreren
zusammen-hängenden Kabinetten angelegt, womöglich
mit separatem Badezimmer anstatt der obligaten Waschschüssel
hinter einer spanischen Wand.
An und für sich waren diese Räume ausschließlich
der Dame des Hauses vorbehalten, ausgenommen Kinder und Personal,
wie Zimmermädchen, Friseur oder Garderobiere. Wer über
entspechend räumliche Großzügigkeit und umfangreiches
Mobiliar verfügte, dem wurde es möglich, persönliche
Freundinnen zum gemeinsamen Tratsch, Kartenspiel oder Kaffeekränzchen
zu laden. Selbst der kultivierte Herr des Hauses hatte um
Einlass anzufragen, standen ihm seinerseits doch Bibliothek
und Rauchkabinett zur Verfügung.
Mit romantischem Liebeswerben hinter verschlossener Türe
oder sexuellen Eskapaden hat ein Boudoir eigentlich
nichts zu tun. Diese Meinung etablierte sich während
des 18. Jahrhunderts, als begüterte Herren und solche,
die als reich gelten wollten, ihren Mätressen großzügig
eigene Appartements einrichteten. Dagegen wurde auf der Gosse
eine billige Phantasie nach wollüstigen Hetären
im Boudoir durch unzählige frivole Bildchen
verbreitet. Diese Darstellungen eindeutiger Szenerien sorgten
für jede Menge unmoralischen Gesprächsstoffs in
der patriarchalischen Gesellschaft. Wohl auch aus diesem Grund
hat sich die romantisch verklärende Raumbenennung in
das derbe Wort Ankleidezimmer gerettet. In dieser
Fassung ist es allerdings noch immer gebräuchlich.

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